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50 Jahre – „Dortmunder Schachtage“

Hansa und das bedeutendste Turnier in Dortmund

Titelbild des Turnier-Bulletins, Quelle von allen Turnierlogos : Siggi Zill (†)
1970er. Siggi Zill, Viktor Kortschnoi, Klaus Neumann bei den „Schachtagen“

Die „Dortmunder Schachtage“ stehen in diesen Tagen im Mittelpunkt des Interesses. Was 1973 als Initiative von wenigen Schachenthusiasten um Klaus Neumann und Eugen Schackmann begann, avancierte später zu einem der bedeutendsten Turniere der Welt.

Der Dortmunder Schachhistoriker Siggi Zill († 2021) verfasste 2012 den folgenden Beitrag über die Vorgeschichte und Entstehung der Schachtage:

(Auszug aus)
Schach in Dortmund: Von 1869 zu den Dortmunder Schachtagen bis zum Sparkassen Chess Meeting

… 1875 scheidet die Stadt Dortmund aus dem Landkreis Dortmund aus und bildet einen selbständigen Stadtkreis. Die Einwohnerzahl betrug 57.742 Einwohner.

Das erste Schachturnier in Dortmund waren die Westphälischen Meisterschaften 1887, die am 17. Juni im „Kölnischen Hof“ ausgetragen wurden. Das erste Internationale Meisterturnier in Dortmund fand 1928 aus Anlaß des 6. Kongresses des Westfälischen Schachbundes statt.  Austragungsort war mal wieder der „Kölnische Hof“.  Sieger wurde Fritz Sämisch.

Viele nationale und internationale Turniere folgten.

Ein besonderer Höhepunkt war die Jugendschachweltmeisterschaft 1980 mit 58 Spielern aus 55 Ländern. Sieger Garry Kasparov, der spätere Schachweltmeister. Spielort waren die Ausstellungshallen im Westfalenpark, nach einem Zitat von Dr. Paoli: Einer der schönsten Gärten der Welt!  

Und bald danach begann die unendliche Geschichte der Dortmunder Schachtage.

Die Idee der Dortmunder Schachtage kamen Klaus Neumann und Friedhelm Bachmann 1972 in Hastings, als sie zum Jahreswechsel dort am Weihnachtsturnier teilnahmen.

Zunächst die Finanzierung: Friedhelm Bachmann, Eugen Schackmann vom Informations- und Presseamt der Stadt Dortmund, Prof. Dr. Wilhelm Thorban, Direktor der Städtischen Kliniken und Prof. Dr. Hans-Gerd Pärli, Geschäftsführer des Mathematischen Beratungs- und Programmierungsdienstes in Dortmund halfen den finanziellen Rahmen zu gestalten. Die Organisation übernahmen Klaus Neumann und Siegfried Zill.

Heute ist das Sparkassen Chess Meeting Weltweit ein Begriff! Die Männer der ersten Stunde:

(Siggi Zill, 2012)

Kurzum: Enthusiasmus, Eigeninitiative, ein paar private Geldgeber und viel Herzblut waren die Zutaten für das Rezept des wichtigsten Schachturniers in Dortmund, das nun 50 Jahre später im Mittelpunkt steht.

Viktor Kortschnoi und Eugen Schackmann, im Ausstellungspavillon des Westfalenparks (vermutlich 1973)
1976: links Manfred Krause (Spielleiter SC Hansa), in der Mitte Klaus Neumann, rechts Friedhelm Bachmann, am Brett Bela Soos

Zehn Jahre lang, bis 1982, hält Klaus Neumann, Gründer der Schachabteilung im Ruderclub „Hansa“ die Fäden in der Hand, wie eine wunderbare Illustration aus dem Industrie Schach-Echo dies zeigt. Mit dabei immer die Mitglieder seiner Schachabteilung, in erster Linie, Friedhelm Bachmann und Reinhard Forthaus.

Industrie Schach-Echo, „Klaus Neumann, der
Puppenspieler vom RC Hansa – Der große Zampano hält bei den Dortmunder Schachtagen die Fäden in der Hand“, gezeichnet von Ryszard Konikowski
links Reinhard Forthaus, Hansa-Mitglied Nr. 4, Turnierleiter und Schiedsrichter Dortmunder Schachtage

Von 1974-1982 war die Schachabteilung des RC Hansa der Veranstalter der „Dortmunder Schachtage“

1974
1975. Logo der 3. Dortmunder Schachtage, die inzwischen „internationale“ als Zusatz im Namen führten
1978 taucht der Name der Sparkasse als Sponsor auf
1979, Slogan des Turnier-Sponsors „dab“
1980. Für 3,00 DM gab es den Zugang zum GM-Turnier
Logo des Turnier 1981 und 1982 sowie das des vom RC Hansa veranstalte Turnier „36. Deutsche Jugendmeisterschaft“

Parallel zur Organisation der Turniere verfasste Klaus Neumann täglich Berichte über das Turnier und veröffentlichte im regelmäßigen Abstand zahlreiche Artikel und die Ergebnisse in allen drei lokalen Zeitungen in Dortmund.

Das Triumvirat der Dortmunder Schachtage Ende der 1970er Jahre: Reinhard Forthaus, Klaus Neumann (fleißig an der Schreibmaschine) und Peter Schulze, offensichtlich im Ausstellungspavillon. In den 1970ern wurden die Schachtage in den Osterferien anstatt wie heute im Hochsommer ausgetragen, daher offenbar der Schnee im Hintergrund (damals gab es noch Winter).

Während dieser zehn Jahre gab es mehrere Begleitturniere, die ebenfalls von Neumann und seinen Vereinsfreunden veranstaltet wurden. Die bedeutendsten sind 1977 das Viertelfinale der Damen-Schach-WM und 1980 die Jugendweltmeisterschaft sowie die Deutsche Jugendeinzelmeisterschaft 1982. Besonders die Jugend-WM mit dem späteren Weltmeister Garry Kasparov zu organisieren ihn zum ersten Mal nach Dortmund zu holen, ist eine herausragende Leistung des Vorsitzenden der Schachabteilung des RC Hansa, der im Übrigen als Veranstalter dieser Turniere fungierte.

 „Klaus Neumann und seine Hanseaten machten Dortmund endgültig zu einem Mekka des Schachsports“, so Gerd Kolbe (ehemaliger Pressesprecher der Stadt Dortmund, Turnier-Direktor und Buch-Autor), der selbst das inzwischen in „Sparkassen Chessmeeting“ umbenannte Turnier von 2003-2019 organisierte.

1980/ Industrie Schach-Echo :, von links: IM Ralph Heß, Jugendweltmeisterschaft Garry Kasparov mit Betreuer IM Bychowski und Turnierdirektor Klaus Neumann rechts am Rand

Dank der großzügigen Unterstützung der Dortmunder Sparkasse konnten im Laufe der fünf Jahrzehnten zahlreiche Elite-Großmeister, darunter fünf Weltmeister (Karpov, Kasparov, Kramnik, Anhand, Carlsen) und fünf derer Herausforderer bei den WM-Kämpfen nach Dortmund geholt werden. Die Geldinstitution aus der Stadt Dortmund hatte erkannt, dass ein Schachturnier dieses Formats ein enormer Gewinn für ihre Heimatstadt ist. „Betteln“ musste man nicht mehr für dieses großartige Turnier.

„Alle entscheidenden Dinge, die sich in der Welt bewegen, geschehen, weil einige Leute mehr machen, als sie hätten müssen“, so Eugen Schackmann. Bild aus der lokalen Presse, späte 1990er. (PDF)

Die Jahre vergingen, die Führung des Turniers wechselte mehrfach. Das Konzept wurde angepasst. Ein paar Mal mussten die Verantwortlichen den Spielort neu suchen. 2019 übernahm Carsten Hensel die Turnierdirektion, fortan hießen die Dortmunder Schachtage „chess-trophy“, allerdings fiel das Turnier unmittelbar nach diesem Wechsel genauso wie vieles andere der Pandemie zum Opfer.

Wer mehr über die Entwicklung der „Dortmunder Schachtage“ erfahren will, dem empfehle ich Matthias Langrocks (selbst in den 1990ern Hansa-Mitglied und Pressewart) ausführlichen Beitrag über die Historie des Turniers.
https://sparkassen-chess-trophy.de/index.php/de/infos/historie

Der  Geburtsort „Dortmund“ verschwand irgendwann aus dem Turniernamen. Die Erinnerungen an die einzigartige Pionierarbeit der Schachversessenen von damals, die ein Turnier für „ein intelligentes Spiel in einer intelligenten Stadt“ (1977, Weltmeister Prof. Max Euwe bei der Eröffnung der Damen-WM in Dortmund) ins Leben riefen, verblassen ebenfalls nach und nach. An dieser Stelle soll noch einmal an deren großartige Leistung für Schach und Dortmund erinnert werden!

„Ein neues Kind ist geboren“, so Klaus Neumann nach dem ersten Turnier 1973. Der SC Hansa Dortmund e.V. gratuliert diesem „Kind“ zum 50. Geburtstag, wünscht der laufenden Veranstaltung viel Erfolg, allen Teilnehmenden viel Freude am Brett und auch sonst in Dortmund. Auf die nächsten 50 Jahre!

Fotos (wenn nicht anders angegeben) mit freundlicher Überlassung von Christoph Pragua

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