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SC Hansa 2 bei SG Kirchlengern zu Gast

Die Voraussetzungen waren klar: Tabellenletzter mit erst einem Punkt nach drei Spielen. Alle Spitzenbretter in der 1. festgespielt. Gegner eine der wertungsschwächsten Mannschaften der Liga. Zwei Punkte mussten her, egal wie, wollte man nicht den Anschluss an die Nichtabstiegsplätze verlieren.
Da traf es sich gut, dass mit Frank Karger ein etablierter Bundesligacrack nach 3,5 Jahren mal wieder eine Schachpartie bestreiten konnte.
Immerhin gelang es so zum ersten Mal in dieser Saison, ohne Ersatzgestellungen auszukommen.
Doch zunächst stand erstmal die elementare Frage an: Wie kommen wir nach Kirchlengern?!
Anderthalb Stunden Anreise spuckten die Routenplaner aus, das würde wohl nichts mit einem gemütlichen Sonntagsfrühstück.
Ein besserer Schreiber fabulierte nun vom Nebel, der Bielefeld verschwinden ließ und uns ins Weserbergland begleitete und sich während der Partien nicht immer lichtete, so stocherten wir teilweise durch unsere Spiele.

10.45 Uhr erreichten wir allen Widrigkeiten zum Trotz Kirchlengern. Ein Blick auf die Aufstellungen zeigte schnell, dass wir an den vorderen vier Brettern jeweils etwa 50 DWZ-Punkte voraus waren, an den hinteren 100 bis 250. Somit waren wir klarer Favorit, aber Hansa 2 ist Hansa 2, immer für eine Überraschung gut.

Die Partien ließen sich gut an.
Nach 30 Minuten hatte Frank Karger (Brett 1) bereits das bequemere Spiel. Da schien er eine hübsche Variante ausgeheckt zu haben.
Michael Babar (2) stand mit Schwarz leicht gedrückt und seine Bauernstruktur war etwas entwertet. Wahrscheinlich würde der Compi 0.00 anzeigen, aber Weiß schien mir das einfachere Spiel zu haben.
Dirk Schiefelbusch (3) hatte ein Damengambit auf dem Brett, das auf den ersten Blick ziemlich dröge wirkte, vielleicht hatte er minimalen Vorteil.
Wolfgang Burchert (4) opferte früh einen Bauern, um den gegnerischen König in der Mitte festzusetzen, sah ein bißchen nach Heimanalyse aus.
Captain Walter Linker (5) eröffnet mit f4 und fianchettiertem Damenläufer, gibt systemgerecht seinen weißfeldrigen Läufer und droht, das Zentrum aufzurollen. Sehr angenehm zu spielen, zumal der Gegner die Struktur nicht zu kennen schien.
Bei mir (6) stand ein angenommenes Damengambit auf dem Brett, meinerseits natürlich ohne Theoriekenntnisse.
Wolfgang Prüske (7) packte in der Rossolimovariante ein höchst aggressives Bauernopfer aus und versuchte, den gegnerische König im Zentrum festzuhalten.
Carsten Hillebrand (8) kam sehr angenehm aus der Eröffnung, drohte bereits frühzeitig, einen wichtigen Zentrumsbauern einzusammeln, ohne dass ich eine gute Verteidigung dagegen gefunden hätte.

Während mein Damengambit sich laaaaangsam entwickelte, vor allem aufgrund meiner sehr bescheidenen Bedenkzeiteinteilung, kam ich leider nicht allzu viel dazu, die Entwicklungen an den übrigen Brettern zu verfolgen.
Nach einer Stunde schien mir Frank klar besser zu stehen und Wolfgang B. gefährlichen Angriff zu entwickeln. Ansonsten viel unklar, bis zu Carstens Partie kam ich leider nicht beim Gucken, weil mein Gegner zwischendurch immer wieder zog, Frechheit 😉
105 Minuten waren bei meinem nächsten Rundgang gespielt. Frank hatte nun ungleichfarbige Läufer auf dem Brett, wobei sein schwarzfeldriger von b2 aus ganz übel in die gegnerische Königsstellung guckte, das musste klar besser sein.
Michael musste nun aufpassen, sein Kontrahent drohte mit Matttricks.
Dirks Gegner hatte auf f3 seinen Läufer gegen Dirks Springer getauscht und die Bauernstruktur etwas entwertet. Nun diskutierte man ein Mittelspiel mit Schwerfiguren und Läufer gegen Schwerfiguren und Springer. Weiß versuchte, möglichst die Stellung zu öffnen, während Schwarz mit dem Springer natürlich versuchte, die Bauern zu verkeilen. Wahrscheinlich dynamisches Gleichgewicht, wie es in den Schachbüchern immer so schön wie nutzlos heißt.
Wolfgang B.s Kontrahent kam bei seinen Bemühungen, den König in Sicherheit zu bringen, nicht weiter. Mindestens Kompensation, v.a. aber viel leichter zu spielen für Schwarz.
Walters Eröffnungswahl war gut, sein Gegner hatte bereits jetzt einen Großteil seiner Bedenkzeit investiert. Die Stellung wirkte nun auch vorteilhaft.
Meine Partie entwickelte sich weiterhin kaum. Überraschenderweise begab sich mein Gegner dann in eine Isolanistruktur, ohne dass die dafür typische Aktivität vorhanden gewesen wäre. Zumindest einfacher zu spielen für mich. Wahrscheinlich war das auch gut so, sonst hätte ich bereits auf Zeit verloren.
Wolfgang P. hatte mittlerweile etwas wenig Zeit auf der Uhr. Vielleicht stand er minimal besser, aber sein Gegner drohte nun, aus allen Gefahren zu rochieren.
Carsten war es zwischenzeitlich gelungen, den oben erwähnten Zentrumsbauern einzusammeln, allerdings hatte sein Kontrahent dafür eine gewisse Aktivität vor dem schwarzen König entfacht. Objektiv stand Carsten besser, aber bei knapper werdender Bedenkzeit war das alles nicht so einfach.
Nachdem ich förmlich darum gebettelt hatte, war ich auf der Suche nach Vorteil nun tatsächlich in Zeitnot gekommen. So reichte es nur noch für einen kurzen Blick auf die übrigen Bretter.
Michael gelang es zu konsolidieren und er machte nach 2 h 45 min Remis, 1/2-1/2. Franks Position musste einfach gewonnen sein. Dirk mit minimalem Vorteil, zumindest schien das Spiel angenehmer. Wolfgang B. erfreute sich noch immer an seinem Monsterläufer auf b5, der f1 für immer blockierte.
Walter hatte zwischenzeitlich einen Bauern gegeben, die Struktur war mir unklar, wer stand da besser, keine Ahnung.
Nach überflüssig langem Nachdenken hatte ich mich entschieden, ins Turm-Springer-Endspiel zu gehen, weil ich mir erhoffte, so den gegnerischen d4-Isolani am besten angreifen zu können. Leider musste ich dafür vorübergehend die c-Linie aufgeben.
Wolfgang P. schien nun sogar eher schlechter zu stehen, zudem hatte er nur noch 17 Minuten für über 20 Züge in komplexer Stellung. Stand Carsten überhaupt noch besser? Mehrbauer, ja, aber die halboffene h-Linie zu seinem König, unklar.

Fast eine Stunde später, meine Zeitnot war überstanden und ich konnte mich den anderen Brettern widmen.
Frank hatte souverän gewonnen. Seine Schlusskombination ziert das Beitragsbild. Hier entkorkte er 1. Txh5 Lxh5 2. Sh6+ Kh7 3. Sf5 und Schwarz gab auf, da das Matt nur durch Damenopfer abzuwehren ist, wonach die Lage materiell jedoch hoffnungslos wäre.
Dirk hatte Remis gemacht, wie es dazu kam, blieb mir verborgen.
Wolfgang B. gelang es, seinen Turm auf die zweite Reihe zu bekommen, als dann auch noch die Dame ins Geschehen eingriff, reichte sein Gegner die Hand zur Aufgabe. 3-1.
3,5 Stunden gespielt und die vorderen vier Bretter beendet, das hat man auch nicht alle Tage.
Ich ließ nun die Uhr ticken, um erstmal abzuwarten, was sich an den übrigen Brettern täte.
Walter drohte Matt und sein Gegenüber bot Remis. Entweder mit Mehrbauern und unklarer Stellung weiterspielen oder schnell das Unentschieden eintüten, Walter entschied sich für Letzteres.
Wolfgang P. hatte einen Bauern verloren und sein Läufer wurde so unglücklich auf g3 eingekeilt, dass er bis zum Partieende nicht mehr in die Offensive würde eingreifen können.
Zum Glück bewies Carsten in beiderseitig hochgradiger Zeitnot (beide spielten rund 15 Züge nur mit dem Inkrement) die größere Übersicht und setzte in der Brettmitte matt. 4,5-1,5, Mannschaftssieg.
Leider musste Wolfgang P. nun die Waffen strecken.
Mein Springerendspiel gefiel mir etwas besser, da ich noch immer die vorteilhafte Bauernstruktur hatte. Aber ein Remisgebot bei 4,5-Führung und wartenden Mitspielern kann man nicht ablehnen.
5-3, letztendlich war es ein verdienter Sieg, der auch ungefähr der DWZ-Erwartung entsprach.
Mit diesem Erfolg konnten wir uns in der Tabelle bis auf Platz 6 verbessern.

Weiter geht es am 12. Januar, dann treffen wir im Westfalen-Kolleg auf SG Bochum 2.