Was nach einem Traumresultat im DFB-Pokalfinale klingt, ist den Dortmunder Denksportlern bereits am Samstag bei der Begegnung des SC Hansa Dortmund gegen den 9-fachen deutschen Meister und 4-maligen Pokalsieger im Schach den FC Bayern München gelungen. In der 14. Runde und vorletzten der Schachbundesliga begann der Fight um den Klassenerhalt in der stärksten Schachliga der Welt um 14:00 Uhr beim Reisepartner der Hanseaten, SV Mülheim Nord. Mit ELO-Vorteilen (steht für die Spielstärke) für den Dortmunder Erstligisten an den vorderen Bretter und dafür mit 3 reinen Amateuren an den hinteren 3 Brettern entwickelte sich bis zum späten Abend ein spannendes Tête-à-Tête auf den 64 Feldern.
Mannschaftsführer Andreas Warsitz hatte im Vergleich zum Vortag an 2 Positionen eine Rotation vorgenommen und ein glückliches Händchen bewiesen. Für den Dortmunder Internationale Meister (IM) Patrick Zelbel rückte ein anderer Dortmunder IM Olaf Wegener ins Team, während der ungarische Großmeister GM Pap durch den Jugendlichen Paderborner FM (FIDE-Meister) Kevin Schröder am Brett 8 ersetzt wurde.
Der vermeintliche Schwachpunkt der Mannschaft entpuppte sich jedoch als ein Joker. Der frisch gekürte FM Schröder begann die Partie mit den weißen Figuren solide in der Eröffnung und nutzte einen taktischen Fehler seines Gegners im Mittelspiel folgerichtig aus, gewann einen Bauern nach dem anderen, so dass sein schwedischer Kontrahent Stefan Schneider im 36. Zug aufgab. Zuvor hatten auf Seiten der Hanseaten IM Léon Mons am Brett 4, der polnische Großmeister (GM) Bartek Heberla am Brett 3 und der Rekordsieger der deutschen Polizeimeisterschaft FM Ralf Kotter für sichere Remis-Partien gesorgt. Beim Stand von 2,5:1,5 gab es nur ein Sorgenkind an den restlichen 4 Brettern. Ausgerechnet der Favorit am Spitzenbrett der Hanseaten, der jüngste deutsche Großmeister Alexander Donchenko verlor dann auch seine Partie, nachdem die Schwäche seiner offenen c-Linie ihm zum Verhängnis wurde.
Bei einem 2,5:2,5 ging der Mannschaftskampf in die Zeitnotphase, also die vor dem 40. Zug und einer Zeitkontrolle. Am Brett 2 konnte der seit mehr als 6 Jahren zum SC Hansa gehörige schwedische Großmeister Emanuel Berg seine vorteilhafte Position aus der sizilianischen Eröffnung in einen Bauerngewinn ummünzen und in ein gewonnenes Springer-Endspiel einlenken. Nach 44 Zügen gab der Spieler von FC Bayern GM Klaus Bischoff in hoffnungsloser Position auf.
Lange blieb es beim 3,5:2,5. Gespannt schauten alle auf das Ergebnis der ebenfalls live übertragenen Begegnung der direkten Konkurrenten um den Klassenerhalt nämlich Trier, Griesheim und Erfurt. Lange sah es danach aus, als würden die Griesheimer gegen Trier punkten oder gar gewinnen, doch die eine oder andere Partie kippte um und der Tabellen Viertletzter Griesheim verlor. Mit einem Sieg konnte nun Hansa an diesem vorbei ziehen und genau für diesen sorgte der zweite „Einwechselspieler“ IM Olaf Wegener.
Dass er größere Kaliber in der Schachszene besiegen kann, zeigte der Dortmunder in der vorigen Saison beim Sieg gegen die damalige Nummer 1 Deutschlands, GM Arkadij Naiditsch. Lange glich seine mit schwarzen Figuren geführte Partie gegen den Österreicher FM Florian Mesaros nach einem Bauerngewinn einem Wechselbad der Gefühle für die Zuschauer bis es dem Dortmunder Titelträger gelang, gleich mit 3 Figuren in die geschwächte Stellung seines Gegners einzudringen, ihn zu einem letzten Figurenabtausch zu zwingen und somit ihm die letzte Chance zu nehmen, den eigenen Freibauern am Durchmarsch zu stoppen.
Der Dortmunder IM Olaf Wegener holt den entscheidenden Punkt zum Sieg.
Als sich beide Kontrahenten mit dem Zwischenergebnis 4,5:2,5 die Hand gaben stand es fest: Der SC Hansa hat mit dem Sprung auf den 12. Tabellenplatz faktisch den Klassenerhalt geschafft. Zum einem spielen am Sonntag alle 3 Mannschaften (Dortmund, Griesheim und Erfurt) gegen „unbesiegbare“ Gegner, die derzeit die Tabellenplätze 1-3 belegen, zum anderen hat sich mit SK Turm Emsdetten ein Verein bereits aus der SBL zurückgezogen. Somit reicht selbst der 13. Tabellenplatz für den Klassenerhalt. Das Endergebnis 5:3 steuerte im Übrigen Frank Karger am Brett 7 bei, der nach fast 6 Stunden und dem feststehenden Mannschaftssieg in einer vorteilhaften Stellung mit Dame gegen zwei Türme zum Remis einwilligte.
„Der heutige Mannschaftssieg ist die größte Freude, die ich in all den Schachjahren als Betreuer und Spieler hatte. Der faktische Klassenerhalt eine Runde vor Schluss bestätigt unsere Philosophie, mit einer ausgewogenen Mischung aus jungen Talenten, regionalen Spielern und auswärtigen Großmeistern, die charakterlich zu unserem Verein passen ein schlagfertiges Team zu bilden“ sagte der Pressewart des Vereins Dr. Pouya Majdpour
Einen Tag zuvor wurde die 7. Runde der SBL nachgeholt. Der klar favorisierte Gastgeber Mülheim führte nach Niederlagen von GM Donchenko am Spitzenbrett und GM Pap und Frank Karger sowie 2 Remis-Partien von IM Patrick Zelbel und IM Léon Mons, musste sich jedoch nach den Gewinn-Partien von GM Heberla und GM Berg an Brett 2 und 3 auf Seiten der Dortmunder sowie einer langen Kampfpartie und dem Sieg des Dortmunder Hauptkommissars FM Ralf Kotter nach mehr als 60 Zügen auf Zeit mit einem 4-4 begnügen. Der 6. Mannschaftspunkt war still und leise eingetütet.
Mit 8 Mannschafts- und 45.5 Brettpunkten nach 14 Runden belegt der SC Hansa mit der wohl jüngsten Mannschaft der Liga einen respektablen 12. Platz in der Tabelle, der zum Verbleib in der stärksten Schachliga der Welt reicht. Ob das ehrenamtliche Engagement des Hansa-Vorstands im Falle eines Klassenerhalts auch in der kommenden Saison fortgesetzt wird, hängt von Zusagen von Sponsoren für diese ab. Die Frist für die Anmeldung ist der 30.04.16. Einen Tag zuvor finden die Mitgliederversammlung und die Neuwahlen eines neuen Vorstands statt, der über die Fortsetzung dieses Projekts entscheidet.