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Siggi Zill – König der Schach-Historie verstorben – Nachruf

Mit großer Bestürzung habe ich die Nachricht vernommen, die sich seit geraumer Zeit leider unweigerlich angekündigt hatte. Wie mir seine Familie mitteilte, ist das Dortmunder Schach-Urgestein Siggi Zill am Samstag, den 15.05.2021 nach langer Krankheit verstorben.
Siggi Zill und Schach waren ein Leben lang unzertrennlich. Seine zu Lebzeiten verfasste Autobiografie

beginnt mit einem Foto, auf dem ein elf Monate alter Knirps am Schachbrett sitzt und die Figuren bewegt.
1937 in Dortmund geboren, ist Siggi mit nicht einmal 11 Jahren dem ersten Schachverein Hombruch-Barop 1924 beigetreten, nachdem das Spielniveau der Hobby-Spieler ihm nicht mehr reichte. Sein erster Schachlehrer im Verein war der Jugendleiter des Vereins, ein weltweit bekannter Problemkomponist namens Heinrich Jambon. Sein erstes bemerkenswertes Schacherlebnis beschreibt er im Jahre 1951, als ein Freundschaftskampf an 18 Brettern gegen Schachvereinigung Lüdenscheid stattfand, bei dem er an Brett 11 einen westfälischen Auswahlspieler „arg zerrupfte“.
Von 1952-55 lernt Siggi den Beruf des „Technischen Zeichners“ und war maßgeblich an der Illustration des neuen Schiffshebewerk Henrichenburg 1962 beteiligt, sein handgezeichnete Plan dieses Werks gehört zu seinem unerschöpflichen Schatz an Dokumenten der Dortmunder Historie.
1961 holt er sein Abitur am Abendgymnasium nach, wo er im Übrigen den späteren ersten Vorsitzenden des SC Hansa Klaus Neumann kennengelernt hat und studiert von 1961-64 Mathematik in Münster. Wie schon in seinem Hobby Schach war Siggi in seinem neuen Beruf wohl ein sehr akribischer Mensch und lernte Programmiersprachen der damaligen EDV-Systeme. Dies sollte sich später auch für den Deutschen Schachbund (DSB) als Glücksfall erweisen.
1976 gab Siggi Zill einen sicheren Job „wegen des unerträglichen Parteiklüngels“ bei VEW auf und arbeitete fortan freiberuflich als Systemanalytiker und das obwohl er inzwischen verheiratet und Vater von 3 Söhnen war. Zunächst einmal war er tätig für den DSB, bei dem er (zusammen mit Frau Marlies) durch Erfassung von 80.000 Vereins-Schachspielern nicht nur den Grundstein einer systematischen Mitgliederverwaltung anlegte, sondern auch als erster INGO-Bearbeiter des Verbands ein Programm entwickelte, um alle Berechnungen auf einem Großrechner abzuwickeln. Bis 1982 gehörte Siggi Zill als Leiter der zentralen Passstelle dem Präsidium des DSB an.
Sein – wahrscheinlich durch Schach geschärftes – Gespür für Analytik und Gründlichkeit wurde von einigen namenhaften Institutionen und Unternehmen geschätzt und beruflich in Anspruch genommen, darunter befanden sich der Deutsche Handballbund, Landeskriminalamt NRW, Deutsche Schifffahrtsbank AG, BfA, Siemens AG, Schöller AG und einige bedeutenden Banken und Versicherungen. Zwischendurch zwang ihn der Wechsel seines Auftraggebers zum beruflichen Umzug nach Bayern. Im Herzen blieb er „schwarz- gelb“ wie er beteuerte und ein Zeitleben der Heimat treu.

Siggi Zill, Viktor Kortschnoi, Klaus Neumann (1973)

Er war seit 1974 nationaler Schiedsrichter des DSB und in Funktion des stellvertretenden Spielleiters von NRW für die Ausrichtung zahlreicher wichtiger Turniere zuständig und baute somit auch seine unzähligen Kontakte zu Schachfreunden aus aller Welt aus.

Mit seinem früheren Freund aus dem Gymnasium Klaus Neumann organisierte er im Frühjahr 1973 die 1. Dortmunder Schachtage. Aus diesem Engagement und der Zusammenarbeit mit den Schachfreunden Eugen Schackmann und Friedhelm Bachmann entstanden nicht nur das bedeutendste Dortmunder Schachturnier, sondern auch Ende desselben Jahres die Gründung einer Schachabteilung beim Ruderclub „Hansa“, welcher Siggi 1978/79 als Mitglied angehörte.

Nach dem Wechsel zum Schachverein seines Freundes Norbert Franke, dem SG Bochum 31, spielten Siggi und seine Söhne Christoph und Matthias mehrere Jahre dort Schach, bevor es ihn beruflich nach Bayern zog. Beide Söhne waren in den 1980/90er Jahren Mitglieder beim inzwischen als eigenständiger Schachverein ausgegliederten SC Hansa Dortmund e.V. aktiv, Christoph errang später sogar den Titel des FIDE-Meisters.

Seinem Hobby nachgehend spielte Siggi nebenbei rund 350 Fernschachpartien und erhielt 1997 „Silbernen Ehrennadel des Deutschen Fernschachbundes“ bis Schachcomputer ihm dieses Hobby dann „verleidet haben“.

1978 geht Siggi Zill als Autor eines Schachbuchs in die Annalen ein. Er schrieb das Band 8 der „Kleinen Schachbücherei“ über Endspiele für Amateure. Viel bedeutender für seine Heimatstadt ist allerdings das 2015 entstandene Werk „140 Jahre Schach in Dortmund“, Welches er zusammen mit Gerd Kolbe verfasste. Die Westfälische Rundschau hatte ihn aufgrund zahlreicher Publikationen bereits 2010 zum „König der Schach-Geschichte“ gekürt.

Abseits der 64 Felder verfügte Siggi Zill über ein unvergleichliches Heimat-Wissen und selbst verfasste Texte über Dortmunder Historie und eine akribisch nachgeforscht und zusammengestellte Sammlung über Dortmunder Zechen, Brauereien, Friedhöfe oder Brückenbauer, um nur einige Beispiele zu nennen.

Siggi Zill beim Schnellschachturnier 2015

Siggi spielte nach der Rückkehr aus München nach Dortmund ab 2009 zunächst bei SV Wambel 1977 und zuletzt bei SV Rochade Eving 1925 gelegentlich Schach. Bei Vereinsturnieren des SC Hansa zu besonderen Anlässen sowie bei Mannschaftskämpfen in der Bundesliga war er ein gern gesehener regelmäßiger Gast und manchmal auch Teilnehmer.

Nach unserem ersten Treffen zur Vorbereitung einer Chronik des SC Hansa im November 2019 war ich sprachlos über seine gewaltigen Kenntnisse über die Dortmunder Schachgeschichte. „Siggipedia“ wie ich ihn danach nannte, hat mir bei diesem zu realisierenden Vorhaben entscheidend geholfen, mit Dokumenten und Daten, mit seinem Netzwerk und mit einigen Geschichten aus dem Nähkästchen, beginnend mit „weißt du noch?“.

Mit seinem Tod geht bedauerlicherweise ein Urgestein des Dortmunder Schachs von uns. Bei mir wird er als ein sehr liebenswerter Mensch und ein stets hilfsbereiter Schachfreund in bester Erinnerung bleiben.

Der Schachclub Hansa Dortmund bedauert den unersetzlichen Verlust seines frühen Mitglieds Siggi Zill zutiefst und spricht seinen Angehörigen und allen Schachfreund*innen sein herzlichstes Beileid aus.

Dr. Pouya Majdpour, Mai 2021

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